Sonntag, 14. September 2014

Fantasy für Erwachsene



Ich gebe zu, wenn ein großer Rummel um Bücher oder Filme veranstaltet wird, macht mich das misstrauisch. Dabei habe ich überhaupt kein elitäres Kunstverständnis. Aber wenn etwas mit viel Werbeaufwand in den Markt gedrückt wird, vermute ich immer, dass die Substanz des betreffenden Werkes entsprechend gering ist, und mache einen Bogen darum. Und in neunzig Prozent der Fälle liege ich damit sicher nicht falsch.

Natürlich ist die Konsequenz meines Verhalten, dass ich die zehn Prozent bejubelter Werke, die dennoch echte Perlen sind, erst mit Verspätung für mich entdecke. Bei Harry Potter ging es mir so, und aktuell gerade mit George R. R. Martins Fantasyserie „Das Lied von Eis und Feuer“ (als TV-Serie, die ich allerdings nicht gesehen habe, unter dem Titel „Game of Thrones“ ausgestrahlt).

Seit Jahren trete ich für eine erwachsene Fantasy ein und stoße dabei – und zwar keineswegs nur bei Branchenfremden, sondern bedauerlicherweise auch bei Literaturagenten und Lektorinnen – auf Unverständnis. Fantasy sei etwas für Kinder und Zurückgebliebene, scheint die unausgesprochene Einstellung dahinter zu sein.

Aus diesem Grund habe ich es gerade mit jenen meiner Werke, die mir besonders am Herzen liegen (hierzu zähle ich auch meinen bei Sutton veröffentlichten Nibelungenroman), schwer, einen Verlag zu finden. In meiner Schublade schlummern einige Manuskripte, die ich dem Segment „Erwachsene Fantasy“ zuordnen würde: eine komplette Trilogie, ein einzelner Roman und eine Novelle. Und in den vergangenen beiden Jahren habe ich – zurzeit unterbrochen, um mich auf den nächsten Krimi zu konzentrieren – an einer weiteren Trilogie gearbeitet.

Ich habe mich oft gefragt, warum die Literaturbranche so konservativ ist, im Gegensatz etwa zum Musikbusiness. Während dort Crossover seit Jahrzehnten an der Tagesordnung ist, tut sich der Literaturbetrieb immer noch schwer, wenn man ein Werk nicht eindeutig einer Schublade zuordnen kann. Das ist übrigens keine Metapher, ich habe einen solchen Satz wörtlich von einem Literaturagenten zu hören bekommen: „Sie sollten in Zukunft mehr in Schubladen denken.“ Nicht, dass Musikproduzenten von Natur aus progressiver wären als Verlagsleiter, aber ihre Branche lebt ganz wesentlich von der Kaufkraft junger Leute, da bleibt ihnen vermutlich nichts anderes übrig, als sich jedes Jahr neu zu erfinden. Auf der anderen Seite ist die Produktion von Büchern, sagen wir: im Gegensatz zur Produktion von Filmen, spottbillig. Kann man da von den Verlagen nicht ein bisschen mehr Offenheit und Risikobereitschaft verlangen, statt lediglich Versuche, dem letzten Trend hinterherzulaufen?

In meiner ersten Trilogie wird die Geschichte meiner Protagonisten zwischen ihrem elften und dreißigsten Lebensjahr erzählt. Doch nach dem Glauben der Programmverantwortlichen diverser Verlage müssen Bücher für Erwachsene ausschließlich erwachsene und Bücher für Jugendliche ausschließlich jugendliche Protagonisten haben. Dabei sind gerade im Fantasybereich Entwicklungsromane gang und gäbe. Auch George R. R. Martins komplexes Werk kennt neben erwachsenen etliche jugendliche Protagonisten.

Ich habe mich nun entschlossen, sofern ich nicht in absehbarer Zeit einen Verlag für meine erste Trilogie finde, diese 2015 selbst zu veröffentlichen. Zwar bin ich wahrlich nicht erpicht darauf, Marketing und Buchhaltung zu machen, viel lieber würde ich mir neue Geschichten ausdenken. Aber es kann nicht angehen, dass ausgerechnet diejenigen meiner Romane, die ich für am Wertvollsten halte – weil sie inhaltlich wie sprachlich besonders in die Tiefe gehen und etwas darüber erzählen, was den Menschen ausmacht –, in einer Schublade vermodern.

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Gunnar