Sonntag, 21. September 2014

Qualitätsjournalismus



Es bringt einem selten Applaus ein, gegen den Zeitgeist zu kämpfen, erst recht nicht, wenn man dabei Leuten auf die Zehen tritt, die dieses nicht gewohnt sind. Als ich jung war, war jeder, der es wagte, die Herrschenden zu kritisieren, ein „Kommunist“ oder „kommunistisch gesteuert“, wie eine schöne Wortschöpfung der Siebziger lautete. Heute, da die Kritiker von damals selbst an den Schalthebeln der Macht sitzen, ist jeder, der es wagt, die Herrschenden und insbesondere die feministische Ideologie zu kritisieren, „rechts“ oder „homophob“. Sicher, ich verstehe schon, dass jemandem, der keine Argumente hat und seine Pfründe verteidigen will, nichts anderes übrig bleibt, als Kritiker zu dämonisieren, aber es ist nun mal nicht besonders originell.

Seit einiger Zeit treffe ich mich hin und wieder mit Menschen, die das gleiche Unbehagen wie ich angesichts einer quasi-gleichgeschalteten Medienlandschaft und einer immer stärker ausgehöhlten Demokratie verspüren, um mit ihnen darüber zu diskutieren. Ein Volontär des Berliner Tagesspiegel wurde auf uns aufmerksam und bat um ein Interview. Nun ist es für jeden, der nicht blind durch die Welt läuft, nichts Neues, dass Menschen, die dem verordneten Staatsfeminismus und dessen Nutznießern kritisch gegenüberstehen, in deutschen Medien auf jede nur erdenkliche Weise diffamiert werden. Das darf jedoch nicht dazu führen, dass man sich mundtot machen lässt, deshalb sagten wir zu und trafen uns – drei aus unserer Gruppe – in einem Café in Kreuzberg.

Der Journalist, Mohamed Amjahid, schien ein netter junger Mann zu sein, versicherte uns, er betreibe „Qualitätsjournalismus“, der zu differenzieren in der Lage sei, und so plauderten wir eine Stunde lang in entspannter Atmosphäre.

Was unsere kleine Gruppe ausmacht und was wir Herrn Amjahid auch mehrfach zu verstehen gaben, ist, dass wir alle höchst unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Ansätzen sind, dass wir übrigens auch keineswegs immer einer Meinung sind, sondern häufig kontrovers diskutieren, und dass das, was uns eint, das leidenschaftliche Eintreten für humanistische Ideale, bürgerliche Freiheiten und Demokratie ist, Werte, die wir durch den real existierenden Feminismus gefährdet sehen.

Wie berichtet Herr Amjahid nun über uns und unser Anliegen?

Mit launigen Einsprengseln, die Klischees von Männerbündlern wachrufen oder uns zu weltfremden Spinnern machen („Klub“, „Stammtisch“, „Er sitzt da (...) mit seinem computeraffinen Zopf“).

Mit einem herablassend-ironischem Tonfall und persönlichen Diffamierungen („selbsternannte Nicht-Feministen“ – vermutlich im Gegensatz zu offiziell von der Bundesregierung ernannten Nicht-Feministen mit Universitätsdiplom).

Mit Verdrehungen und Unterstellungen, indem er beispielsweise so tut, als würden wir rund um die Uhr nach Benachteiligungen von Männern Ausschau halten („Welcher Mann lässt sich von Frauen so dermaßen piesacken, dass er sein Leben damit verbringt, gegen das Matriarchat zu philosophieren?“).

Mit Überschriften, die uns Sätze unterschieben, die nie gefallen sind, um uns als eine Truppe verbitterter alter Zausel hinzustellen („Nieder mit dem Matriarchat“, „Wut auf die ‚maternalistische‘ Unterdrückung“).

Besonders übel: Um die Leser auf die offizielle Ideologie einzupeitschen, setzt er munter Frauen und Feministinnen gleich, als sei es selbstverständlich, dass jede gute Frau auch Feministin ist und Kritik gegenüber dem Feminismus demzufolge einem Generalangriff auf Frauen gleichkommt („Also sind sie jetzt im Klub der Nicht-Feministen per se gegen Frauen? Nein, beteuert Gunnar. Vor 40 Jahren fand er den Feminismus sogar gut ...“).

Ich habe den Satz tatsächlich gesagt – allerdings in einem anderen Zusammenhang, nämlich als Beginn einer Begründung, warum ich den Feminismus in seiner derzeitigen Ausprägung für gefährlich halte: weil er das Gegenteil von dem tut, was er postuliert, und systematisch demokratische Grundrechte aushebelt. Begründungen wollte Herr Amjahid jedoch nicht hören, lieber verquirlte er in seinem Artikel mehrere Aussagen zu einem kruden Mix, der den Anschein erwecken musste, es sei ohnehin alles beliebig und wir wären eine Bande von Verschwörungstheoretikern, die in drei Minuten mal kurz die Welt erklären („Bei Ingwertee und Cola kennt die Liste, was alles in der Bundesrepublik schief läuft, kein Ende“).

Da es für ihn schwierig wäre, uns rechtes Gedankengut anzuhängen, weil wir kein Hehl aus unseren politischen Überzeugungen machten, blieb ihm nur die Möglichkeit, mit Andeutungen zu operieren, die nichts aussprechen, aber alles suggerieren, für die er sich folglich auch nicht verantworten muss. Zum Beispiel erfand er eine „queer-feministisch-orientalische Boygroup“ vor der Tür des Cafés, auf die wir angeblich negativ Bezug genommen hätten, vermutlich, um uns eine Abneigung gegen Minderheiten zu unterstellen. (Von irgendwoher kam Musik, soviel ist wahr, vermutlich aber eher aus der Konserve, denn noch Minuten zuvor hatte es aus Eimern geschüttet, da wäre wohl jede Boygroup in Deckung gegangen).

Herr Amjahid rechtfertigte sich übrigens später in einer Mail uns gegenüber mit der Bemerkung, Überschriften seien Sache der Redaktion. Wenn ich einen Roman veröffentliche, stehe ich mit meinem Namen dafür gerade. Und zu Recht. Der alte Satz „Wer nicht für seine Rechte kämpft, verdient sie nicht“ gilt selbstverständlich auch in der Kultur: Wer nicht für die Integrität seines Werkes einsteht, darf sich nicht darüber beschweren, wenn er anschließend dafür kritisiert wird. Aus diesem Grund streite ich mich, wenn es sein muss, auch mit meinem Lektor oder meiner Lektorin, so lange es nötig ist, nicht nur über den Inhalt und die Wortwahl meiner Texte, sondern auch über Titel, Klappentext und Cover. Wenn sich Herr Amjahid nun damit herausredet, er sei ja unschuldig an den reißerischen Schlagzeilen, stellt er seinem Berufsstand ein Armutszeugnis aus. Eine sinnentstellende Überschrift wäre für jeden Journalisten mit einem Funken Berufsehre zumindest Anlass, sich dafür öffentlich zu entschuldigen und intern mit der Redaktion über die Verfälschung seines Artikels zu streiten. Aber Herr Amjahid und ich haben offenbar unterschiedliche Vorstellungen von Verantwortung und Sorgfalt bei der Arbeit.

Ich erwarte gar keinen Qualitätsjournalismus, mir würde ein seriöser Journalismus in diesem Land vollauf genügen. Ein seriöser Journalismus zeichnet sich dadurch aus, dass er die interviewten Menschen selbst zu Wort kommen lässt, statt ihnen Dinge in den Mund zu legen, die nicht gesagt wurden, ihre Aussagen zu verdrehen, ihnen denunzierende Adjektive anzuhängen oder sie sonst wie lächerlich zu machen. Das, lieber Herr Amjahid, nennt man schlicht: Propaganda.

2 Kommentare:

  1. Sehr lesenswerte "Gegendarstellung" - vielen Dank

    Ich finde eure Initiative in Berlin gut und unterstützenswert. Immerhin, man sollte ja nie den Glauben an das Gute verlieren, wurde darüber auch berichtet. Damit will ich den Artikel nicht schönreden, denn der Duktus der Schreibe stieß mir dort schon beim ersten Lesen auf, denke aber, dass es immer noch besser ist, als tot geschwiegen zu werden.

    Ich will dazu nicht das abgelutschte Zitat von Ghandi "Erst irgnorieren sie dich ..." aufwärmen, denke aber, dass ihr mittendrin seit im Prozess des Gewinnens.

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    1. Danke für deinen Kommentar! Und, ja, ich sehe das Ganze auch mit einem lachenden und einem weinenden Auge ...

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Vielen Dank für deinen Kommentar. Sobald ich ihn geprüft habe, schalte ich ihn frei.

Viele Grüße

Gunnar