Lange angekündigt, endlich
erschienen: Mein Buch über männliche Lebenswirklichkeit. Es trägt den Titel
„Verwundbar sind wir und ungestüm. Erzählungen aus der unsichtbaren Welt derMänner“ und ist das Ergebnis
von über dreißig Jahren Beschäftigung mit dem Thema.
Ich erzähle darin Geschichten
über den unsichtbaren Teil männlicher Lebenswirklichkeit, dem Teil, der in
Zeitschriften und Talkshows keinen Platz hat, weil er gängigen Mythen
widerspricht. Mein Anliegen ist es, den verleugneten Tatsachen einer einseitig
geführten Geschlechterdebatte, den Zahlen und Statistiken, ein Gesicht zu
geben. Ich verstehe das Buch als Ergänzung zu den einschlägigen Sachbüchern,
die es ja vereinzelt durchaus gibt, deren Inhalte aber leider dasselbe
Schicksal erleiden wie die täglichen Nachrichten: Es ist leicht, sie zu verdrängen.
An diesem Punkt setze ich an.
Wenn wir hören, dass irgendwo Hunderttausende bei einer Katastrophe ums Leben
gekommen sind, ist das nur eine Zahl. Wenn wir jedoch das Schicksal eines
Einzelnen miterleben, seine Gefühle, Gedanken und Reaktionen nachvollziehen und
uns mit ihm identifizieren, berührt uns das auf eine viel elementarere Weise.
Lesen wir beispielsweise von Häuslicher
Gewalt gegen Männer, dann setzen bei vielen Menschen sofort Denkschablonen ein
und sie fantasieren sich einen Schwächling zusammen, der nichts mit ihnen zu
tun hat und auf den sie folglich ungestraft herabblicken dürfen. Wenn man
jedoch emotional nachvollziehbar macht, warum ein Mann in einer bestimmten
Situation auf eine bestimmte Weise reagiert, was er dabei fühlt, wie er sich bemüht,
einen Konflikt zu lösen, kurz: dass es sich dabei um einen ganz normalen Mann
handelt, der stellvertretend durchlebt, was jedem anderen Mann jederzeit genau
so zustoßen könnte, dann kann man diese Vorkommnisse nicht mehr so leicht von
sich wegschieben. Hoffe ich.
(Die Geschichte über Häusliche
Gewalt habe ich übrigens parallel dazu separat veröffentlicht. Sie trägt den
Titel „Schlagartig“ und ist
als Buch bei Amazon und als E-Book in zahlreichen E-Book-Shops erhältlich).
Vor vielen Jahren, als ich nach
Berlin kam, wollte ich bereits über die herrschende Männerfeindlichkeit
schreiben, weil mich schon damals die Verlogenheit und Doppelmoral in der
Geschlechterdebatte gestört hat. Zu der Zeit arbeitete ich noch am Theater und
dachte eher an ein Theaterstück. Zur vorbereitenden Recherche gab ich eine
Kleinanzeige auf, in der ich Gesprächspartner suchte, um sie über ihr Leben zu
interviewen, woraufhin sich die unterschiedlichsten Männer bei mir meldeten und
mir bereitwillig und offen von sich erzählten. Letzten Endes bin ich jedoch nie
über konzeptionelle Gedanken hinweggekommen. Und ich bin froh darüber, weil ich
damals nicht genug wusste und das Stück vermutlich an der Oberfläche geblieben
wäre. Die Arbeit war dennoch nicht vergebens, denn abgesehen von dem, was ich
in den Gesprächen erfahren habe, konnte ich auch die eine oder andere Idee von
damals für das Buch verwenden.
Als ich das Ganze vor vier Jahren
erneut anging, wollte ich zunächst einen Roman daraus machen. Doch die
Schwierigkeit dabei war: Wie sollte ich die vielen unterschiedlichen Themen in
einer einzigen Geschichte unterbringen? Musste das nicht unglaubwürdig wirken,
selbst wenn man Nebenfiguren erfindet, die jeweils eines der Probleme
stellvertretend durchleben? Und brauchte nicht jedes dieser Themen eine
spezifische Art der Umsetzung, eine eigene Sprache, eine eigene
Erzählperspektive?
Also beschloss ich, stattdessen
eine Sammlung von Kurzgeschichten zu schreiben. Ich habe Kurzgeschichten immer
geliebt und bedauere, dass diese Kunstform nur noch ein Schattendasein fristet.
Kurzgeschichten eröffnen radikale Möglichkeiten und individuelle Lösungen, die
in einem Roman nur schwer umzusetzen sind.
Das Rückgrat des Buches,
Erzählungen über Männer und Jungen, die Opfer geworden sind – Opfer von
Häuslicher Gewalt, Opfer von Falschbeschuldigung, Opfer von Kindesmissbrauch
etc. –, stand schnell fest und war für mich immer die verlässliche Basis.
Ich merkte jedoch schnell, dass
das nicht ausreicht. Wie leicht konnte das Ganze zu einem Lamento geraten. Das
Buch brauchte ein Gegengewicht, es brauchte Biss. Daher gibt es eine zweite
Ebene, das sind vor allem Geschichten, die die Glaubenssätze und
Verhaltensweisen von Feministinnen parodieren und das Antidemokratische und
Totalitäre ihrer Ideologie bloßlegen.
Doch auch das genügte mir nicht.
Würde ich es dabei belassen, so blieben die Leser am Ende deprimiert oder
wütend zurück; ich wollte sie jedoch mit diesen Gefühlen nicht allein lassen.
Seit vierzig Jahren wird alles, was männlich ist, verunglimpft und in den
Schmutz gezogen, es ist höchste Zeit, dass wir uns daran erinnern, wie sehr
männliche Eigenschaften die Welt bereichern. Also gibt es eine dritte Ebene, in
der von der Begeisterungsfähigkeit der Männer die Rede ist, von ihrer
Fähigkeit, die Schwerkraft aufzuheben und Träume wahr werden zu lassen, von der
Magie, die immer noch in ihren Herzen wohnt.
Ich bin sehr froh über das Buch.
Als ich es zum Abschluss noch einmal korrekturgelesen habe, fand ich, dass es
kraftvoll geworden ist, kraftvoll in seinem Schmerz ebenso wie in seiner Wut
und seiner Lebensfreude. Und dass es Worte darin gibt, die Heilkraft besitzen,
weil sie Männer wieder ganz sein lassen. Ich wünsche mir, dass es den Lesern
ähnlich geht.
Hallo Gunnar,
AntwortenLöschenich habe in den letzten Tagen die Geschichten aus dem Band gelesen, die für Kindle erhältlich sind. Leider sind das nicht alle.
Zunächst einmal: Whow. Verstörend. Aufrüttelnd.
Sie schreiben ja, es sind keine Fiktionen, sondern alles fußt auf wahren Begebenheiten. Das glaube ich Ihnen aufs Wort. Und jetzt zur Mitschuld der Männer.
Bei "Barfuß über Scherben" ist mir aufgefallen, dass es sich immer wieder um den gleichen Stereotyp von Beziehungen handelt. Die allermeisten Männer heiraten dumme, herzlose Puppen, wenn sie nur dünn und hübsch genug sind, achten auch darauf, dass sie von Status und Ausbildung her unter ihnen stehen. Diese Damen sind dann zwar dumm, aber auch berechnend und verschlagen. Und dies erkennen viele Männer erst, wenn es zu spät ist. Tragisch. Aber auch änderbar.
Eine Beziehung oder Ehe funktioniert auf Dauer nur gut, wenn beide Partner auf einer Stufe stehen. Stichwort: Kinderbetreuung, anspruchsvoller Job auch für Mama. Ähnliche Ausbildungsstufe. Dann spielt es auch keine Rolle mehr, wer von beiden etwas mehr oder weniger verdient.
Andere Modelle sind nur erfolgreich, wenn richtig viel Geld im Hintergrund ist. Dann muss der "reichere" Partner aber auch aufpassen, dass sich der "ärmere" nicht den ganzen Tag mit ebenfalls unterbeschäftigten Freunden beschäftigt. Also ebenfalls seinen/ihren Horizont durch bezahlte Beschäftigung erweitert.
Augenhöhe lautet immer das Zauberwort.
Dies von einer glücklich verheirateten Frau (Steuerklasse IV, erwachsenes Kind) ins Stammbuch geschrieben.
Beste Grüße, Barbara
Hallo Barbara,
AntwortenLöschenund vielen Dank für Ihren Kommentar.
Ob die meisten Männer wirklich Frauen wollen, die "unter ihnen stehen", weiß ich nicht, aber ich stimme Ihnen zu, dass es oft eine "Mitschuld" der betreffenden Männer gibt, wenn sie bereitwillig den Lastesel in einer Beziehung machen und möglicherweise auch noch ein Gefühl der Stärke daraus beziehen, dass sie die alten Rollenklischees leben.
Auf jeden Fall teile ich Ihre Einschätzung, dass eine Beziehung nur auf Augenhöhe funktionieren kann.
Ein paar Worte noch zum besseren Verständnis meiner Veröffentlichungspolitik: "Unberührbar", "Barfuß über Scherben", "Komm her, sagt Mama" und "Schlagartig" habe ich zusätzlich als Einzelgeschichte sowohl in Papierform als auch elektronisch veröffentlicht, weil ich glaube, dass diese Themen wichtig sind und die Geschichten dabei helfen können, Klischees und Vorurteile auszuräumen, und weil Betroffene möglicherweise den Wunsch haben, die ihre spezifischen Probleme betreffenden Geschichten weiterzuverbreiten.
Es wird allerdings bei diesen vier Zusatzveröffentlichungen bleiben, alle anderen Geschichten sind nur in "Verwundbar sind wir und ungestüm" und ausschließlich in gedruckter Form erhältlich. Ich habe mich für diese Vorgehensweise entschieden, weil leider immer mehr elektronische Bücher geklaut, geknackt und kostenlos im Netz veröffentlicht werden, und ich lebe nun mal von meiner Arbeit als Autor. Ich hoffe, Sie haben dafür Verständnis.
Herzliche Grüße
Gunnar