Sonntag, 6. Dezember 2015

Warum ich aus dem VS austrete (Offener Brief)


Als ich vor rund dreißig Jahren mal eine Kontaktanzeige aufgab und zu diesem Zweck darüber nachdachte, auf welche Weise ich etwas Wesentliches über mich in wenige Worte fassen könnte, habe ich mich als „pragmatischen Idealisten“ bezeichnet. Das gilt nach wie vor. Ich lehne faule Kompromisse ab, würde mir aber nie aus fundamentalistischen Überlegungen heraus das Machbare entgehen lassen.

Aus diesem Grund bin ich trotz Bauchschmerzen seit sechzehn Jahren Mitglied im VS (Verband deutscher Schriftsteller), davon zwölf Jahre im Vorstand des Berliner Landesverbands. Ich gehöre zu denjenigen, die immer eine Anbindung an die Gewerkschaft befürwortet haben, auch wenn ich manches dort kritikwürdig fand. Autoren sind naturgemäß Einzelkämpfer, nur mit starker Unterstützung können wir hoffen, der Übermacht der Verlage etwas entgegenzusetzen. Deshalb habe ich die Bürokratie in ver.di ertragen und zähneknirschend auch die Männerfeindlichkeit, mit der sich die Gewerkschaft beim herrschenden Staatsfeminismus anbiedert.

Schwer erträglich fand ich hingegen, dass der VS zunehmend nicht mehr seinen eigentlichen Aufgaben nachkommt und lieber den schönen Schein pflegt. Es gäbe viel zu tun: Mit den Verlagen über Honorarempfehlungen für E-Books und Hörbücher zu verhandeln, zum Beispiel. Etwas gegen die schlechte Bezahlung von Kinder- und Jugendbuchautoren zu unternehmen. Zu verhindern, dass die Verlage immer mehr Aufgaben auf die Schultern der Autoren abladen. Ein tragfähiges Modell zu einer Reformierung des Urheberrechts zu entwickeln, das einerseits einer veränderten Medienlandschaft Rechnung trägt, zugleich aber die Rechte der Urheber schützt. Und so weiter.

Stattdessen wurde uns als Erfolg verkauft, dass Buchautoren künftig nicht weniger als fünf Prozent vom Nettoladenverkaufspreis bekommen dürfen. Und als der Börsenverein des Deutschen Buchhandels den vor langer Zeit mit dem VS ausgehandelten Normvertrag klammheimlich verwarf und seinen Mitgliedern einen anderen empfahl, hat der VS nicht dagegen protestiert, „um die Gespräche über einen neuen Normvertrag nicht zu gefährden“ (über den inzwischen Einigung erzielt wurde, das sei fairerweise gesagt). Dass der VS bei so wenig Biss und Kampfbereitschaft vom Börsenverein kaum ernst genommen wird, dürfte nicht überraschen.

Statt sich also mit der Verbesserung der sozialen Situation der Autoren zu beschäftigen, was die ureigenste Aufgabe des VS wäre, werden überflüssige Aktionen wie die „Worte gegen Rechts“ veranstaltet. Was soll das? Glaubt der Bundesvorstand, Rechtsradikale würden sich die Sache mit den Brandanschlägen noch mal überlegen, wenn sie erfahren, dass ein paar Autoren das nicht in Ordnung finden? Der einzige Zweck einer solchen Aktion besteht in der Selbstbeweihräucherung: „Wir sind die Guten“. So hatte es ver,di ja mal während einer Demo auf den Transparenten stehen. Peinlich.

Ebenso peinlich finde ich, dass ver.di gerade dort versagt, wo eigentlich seine Kernkompetenz liegen sollte, nämlich in der Arbeitsmarktpolitik. Seit Jahr und Tag verbreitet die Gewerkschaft die Lüge vom angeblichen „Gender Pay Gap“, wohl wissend, dass diese Lüge seit mindestens zehn Jahren widerlegt ist*. Ich erinnere mich beispielsweise an einen Leserbrief in der Gewerkschaftszeitung „ver.di publik“, in der ein Leser klarstellte, dass die angeblichen 22 bzw. 23 Prozent Gehaltsunterschied bei gleicher Arbeit reine Propaganda sind. Die Redaktion hat das damals in ihrer Antwort mehr oder weniger zugegeben. Nur um in der nächsten Ausgabe fröhlich die alte Lüge zu wiederholen. Bis heute.

Ich hätte mir auch gewünscht, dass der VS, der gern die Meinungsfreiheit in anderen Ländern anmahnt und sich solidarisch mit unterdrückten Schriftstellern in aller Welt zeigt, Stellung bezieht gegen die um sich greifende Tendenz im eigenen Land, Andersdenkende mit Lügen, Shitstorms und geballter Medienmacht mundtot zu machen. Dass dies nicht geschieht, ja anscheinend nicht einmal als Problem wahrgenommen wird, beunruhigt mich mehr als alles andere.

Der neueste Eulenspiegelstreich des VS bringt für mich das Fass zum Überlaufen. Ich spreche von der Umbenennung in „Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller“, eine Umbenennung, die nur oberflächlich mit den Mitgliedern abgestimmt wurde und deren Zustandekommen auch nach Nachfragen für mich undurchsichtig bleibt. Wenn Autoren stolz zur Schau tragen, dass sie ihre Muttersprache nicht beherrschen und Genus und Sexus nicht auseinanderhalten können**, weil ihnen der devote Bückling vor den Berufsopfern dieses Landes wichtiger ist als selbstständiges Denken, dann ist das ein nicht zu überbietendes Armutszeugnis, das ich nicht länger mittragen möchte.

Aus all diesen Gründen trete ich mit sofortiger Wirkung aus dem VS aus.

Mit freundlichen Grüßen

Gunnar Kunz


* siehe beispielsweise:

** siehe beispielsweise:

2 Kommentare:

  1. Chapeau, Chapeau!
    Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss. Nur durch den Mangel an Rückgrad seitens der Männer kann sich dieser Genderunsinn halten. Und Frauen wissen sowieso nicht, was sie wollen, da das Wollen mit dem Hormonzyklus schwankt.
    Das ist fatal. Niemand hindert den Karren daran, in den Sumpf zu fahren. Da ist besser man steigt aus und geht zu Fuß.

    Achim de Jong

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    1. Lieber Achim,

      danke für deine Reaktion. Tut gerade gut, weil ich erwartungsgemäß von einigen Autoren deswegen angegangen werde. Das wird mich aber nicht daran hindern, auch weiterhin zu sagen, was ich zu sagen habe.

      :-)

      Viele Grüße

      Gunnar

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Vielen Dank für deinen Kommentar. Sobald ich ihn geprüft habe, schalte ich ihn frei.

Viele Grüße

Gunnar